Software ist ein Werkzeug, keine Maschine

Die anbre­chen­de Adventszeit haben wir zum Anlass genom­men, um uns zu besin­nen und uns Gedanken zu machen, und zwar über den Stellenwert von Software im Marktforschungsprozess.

Wie in (fast) jedem unse­rer Lebensbereiche ist der Umgang mit soft­ware­ge­steu­er­ten Programmen auch aus der Markt- und Sozialforschung nicht mehr weg­zu­den­ken. Aktuell gibt es ein gro­ßes Angebot an Softwareprodukten. Woran erkennt man jedoch, wel­che Software die bes­te für die eige­nen Ansprüche ist? Dass sie die not­wen­di­gen Funktionalitäten besitzt, einen ange­mes­se­nen Preis hat und zeit­nah ver­füg­bar ist: Das alles zählt mitt­ler­wei­le zu den gän­gi­gen Standards. Weil sich das Angebot zuneh­mend ähnelt, rückt ein schwe­rer fass­ba­res und damit auch schwe­rer bewert­ba­res Kriterium in den Fokus: die Qualität. Mit guter Software mei­nen wir näm­lich eigent­lich: qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Software.

Seit meh­re­ren Jahrzehnten wird Softwarequalität wis­sen­schaft­lich erforscht. Das Ergebnis sind Modelle, die das kom­ple­xe Konzept der Softwarequalität auf meh­re­ren Ebenen in Qualitätsmerkmale unter­tei­len, um es greif- und mess­bar zu machen. Einig sind sich die ver­schie­de­nen Modelle grund­sätz­lich in fol­gen­den Qualitätsansprüchen: Die Software soll­te die Funktionen auf­wei­sen, die von ihr erwar­tet wer­den, und die­se kor­rekt und zuver­läs­sig aus­füh­ren. Dass das IT-System eine effi­zi­en­te Performance und gene­rel­le Benutzerfreundlichkeit in der Anwendung auf­weist, ist eben­so wich­tig wie Sicherheitsmaßnahmen zur Einhaltung des Datenschutzes. Aus der Entwicklungsperspektive her­aus ist außer­dem die Kompatibilität der Software mit ande­ren Soft- sowie Hardwaresystemen wich­tig und dass sie war­tungs­freund­lich und por­tier­bar ist. Neben die­sen – teil­wei­se recht abs­trak­ten – Qualitätskriterien spielt für die Markt- und Sozialforschung ein wei­te­rer Aspekt eine ent­schei­den­de Rolle, näm­lich: Eignung.

Aktuell füh­ren höhe­re Ansprüche und gewach­se­ne Anforderungen – schnel­ler, mehr und bes­se­re Ergebnisse zu lie­fern – zu einer zuneh­men­den Automatisierung von Prozessen. Im Zuge des­sen wer­den ver­mehrt Full-Service-Pakete ange­bo­ten und emp­foh­len. In einem Artikel auf Focus Online wur­den etwa „pas­sen­de Komplettlösungen, die kurz­fris­tig ein­satz­be­reit sind und den bran­chen­spe­zi­fi­schen Anforderungen gerecht wer­den“, ange­prie­sen. Zeitsparend und ein­fach für den Anwender: Was zunächst ver­lo­ckend klingt, scheint auf den zwei­ten Blick selt­sam unan­ge­mes­sen für ein solch sorg­fäl­tig und ana­ly­tisch arbei­ten­des Fach wie die Markt- und Sozialforschung.

Denn was soll gute Software eigent­lich tun? Sie soll objek­ti­ve, vali­de und reli­able Daten erhe­ben und Ergebnisse zei­gen. Das kann sie nur, wenn sie in die­sem Sinne einer­seits ent­wi­ckelt wur­de und ande­rer­seits auch so ange­wandt wird. Aus bei­den Perspektiven – der Entwicklung und der Anwendung – ist dabei die Eignung, also die Angemessenheit der Software für eine bestimm­te Aufgabenstellung sowie ihre fach­kun­di­ge Nutzung, ausschlaggebend.

Software ist ein Werkzeug, kei­ne Maschine. Um die­ses Werkzeug gut bedie­nen und ziel­ge­rich­tet ein­set­zen zu kön­nen, soll­te man ver­ste­hen, was hin­ter den tech­ni­schen Prozessen steht.
Macht eine Datenerhebung als Onlinebefragung für die Zielgruppe Sinn? Was bedeu­ten eigent­lich die all­seits belieb­ten Signifikanzen und haben die­se über­haupt eine Aussagekraft, ohne dass zuvor eine Hypothese for­mu­liert wur­de? Ist eine Mittelwerteberechnung für das Skalenniveau der Daten sta­tis­tisch zuläs­sig? Wie wer­den Korrelationskoeffizienten berech­net und wel­cher ist für die vor­lie­gen­den Zahlen ange­mes­sen? Und will man wirk­lich Gewichte mit dem Faktor 2.5 und höher verwenden?

So kann und soll­te man von einer qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen Software erwar­ten, dass sie zur Bearbeitung ver­schie­de­ner Aufgaben geeig­net ist und ange­mes­se­ne Verfahren zur Lösung unter­schied­li­cher Fragestellungen anbie­tet. Dass der Hersteller adäqua­te Techniken für häu­fig auf­tre­ten­de Fälle und übli­che Analyseschritte bereit­stellt, zählt zum Service eines sorg­fäl­tig kon­zi­pier­ten Softwareprodukts. Darüber hin­aus zeich­net sich eine gute Software dadurch aus, dass sie sich einer­seits in der Praxis bewährt und ande­rer­seits durch die­se reift. Das heißt: Die Erfahrungen und Ansprüche der Benutzer sto­ßen die Entwicklung neu­er oder die Veränderung bestehen­der Funktionalitäten und Methoden an. Dies führt idea­ler­wei­se zu einer ste­ti­gen und fle­xi­blen Anpassung der Software. Außerdem beinhal­tet dies eine anhal­ten­de Überprüfung der Eignung ihrer Nutzungsanforderungen. In der Folge unter­stützt die Software den Forschungsprozess, hält den Arbeitsfluss geschmei­dig, effi­zi­ent und dadurch auch kostensparend.

Was man nicht von der Software erwar­ten soll­te: dass sie die Denk-Aufgabe über­nimmt. Eine Software ist nur so gut wie ihr Anwender. Lassen Sie sich nicht das Denken abneh­men, indem Sie Pauschallösungen und ober­fläch­li­che Automatismen einer Marktforschungsmaschine anwen­den, ohne die inhalt­li­chen Grundlagen und empi­ri­schen Hintergründe zu ken­nen. Eine gute Software ist kei­ne Blackbox, die nach drei Klicks ein bun­tes Ergebnis lie­fert. Qualitativ hoch­wer­ti­ge Software for­dert Fach- und Methodenkenntnis vom Entwickler eben­so wie vom Anwender, dem Markt- und Sozialforscher.


Dieser Artikel ist in Ausgabe 5/2017 der Planung & Analyse erschienen.